Der Verein zur Förderung sportlicher Talente in den hessischen Schulen e.V. veranstaltete gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern, dem Hessischen Kultusministerium sowie dem Landessportbund Hessen am 15. November eine Fachtagung in den Räumen des Landessportbundes zum Themenkomplex der Talentsuche und Talentförderung. Eingeladen waren alle Landestrainer der beteiligten Sportarten des Landesprogramms „Talentsuche – Talentförderung“ sowie alle Lehrer-Trainer der hessischen Partnerschulen des Leistungssports und Schulsportzentren. Der Vorsitzende des Vereins, Dominic Ullrich, eröffnete gemeinsam mit Ulrich Striegel (Hessisches Kultusministerium) und Lutz Arndt (Vizepräsident Leistungssport LSBH). Die Zielsetzung der Veranstaltung bestand darin, den Teilnehmern einen sportartübergreifenden Austausch zum Thema „sportliche Sichtungen“ zu ermöglichen sowie für den Stellenwert mehrperspektivischer Talentkriterien zu sensibilisieren.
Impulse für Talentsichtungskonzepte
Alexandra Janetzko (Institut für Sportwissenschaft Universität Oldenburg) konnte im ersten Impulsreferat zum Thema „Auswahlprozesse im Leistungssport – Sichtungspraktiken im Tanzsport und der Leichtathletik“ anschaulich darstellen, wie Trainer mit ihrem vorhandenem Expertenwissen (mit dem sogenannten „Trainerauge“) als sehr effektives Instrument bei der Talentfindung erfolgreich wirken können. Weitere wichtige Impulse konnten beim Thema „Talententwicklung, Überprüfung und Weiterentwicklung sportartübergreifender Konzepte der Talentidentifikation und –entwicklung“ von Dr. Ilka Seidel (Forschungszentrum für den Schulsport und den Sport von Kindern und Jugendlichen (FoSS) Karlsruhe / Karlsruher Institut für Technologie (KIT Karlsruhe) gegeben werden. Dabei wurde besonders deutlich, dass Leistungstests bei der Talentsuche vor der Pubertät fast keine Aussagekraft haben. Vielmehr machte Sie mit Ihren Aussagen deutlich, dass eine fundierte und breite motorische Ausbildung von Kindern und damit die sportliche Förderung vielmehr geeignet ist, um dann im Entwicklungsprozess die geeigneten Kinder für den möglichen leistungssportlichen Weg zu erkennen.
Exemplarische Darstellung eines individuellen Karriereverlaufs
Wie ein konkreter Karriereverlauf eines sportlichen Talents aussehen kann, wurde im von Dominic Ullrich geführten Interview mit dem B-Kader-Leichtathleten Konstantin Steinfurth aus Eppstein deutlich. Konstantin, der in diesem Jahr seinen ersten internationalen Einsatz mit der Nationalmannschaft beim Länderkampf in Italien hatte sowie erstmalig Deutscher Jugendmeister im Hammerwurf mit persönlicher Bestweite wurde, verdeutlichte durch seine Antworten seine notwendige persönliche Motivation und Zielstrebigkeit im Nachwuchsleistungssport. Gemeinsam mit den Eltern und der Schulleiterin Frau Gembach-Röntgen kristallisierte sich im Interview heraus, dass dem Athleten und Schüler Konstantin Steinfurth Eigenschaften anhängen, wie Beharrlichkeit, Zielstrebigkeit und Offenheit, die sowohl seine sportliche als auch schulische Entwicklung positiv beeinflussen. Im Beitrag der Landestrainerin Regine Isele wurde die Sichtweise auf das Talent um den Bereich seiner vielseitigen motorischen Fähigkeiten ergänzt, die er durch die Ausübung mehrerer Sportarten in seiner gesamten Sportentwicklung herausbilden konnte. Dabei sticht seine exzellente Drehfähigkeit heraus, die für den Hammerwurf von besonderer Bedeutung ist.
Workshops für mehrperspektivische Talentkriterien
Durch das geführte Interview wurde damit deutlich, dass für die Talentidentifikation die Bereiche sportliche Leistung, Persönlichkeitsmerkmale, Trainierbarkeit, Körperliche Voraussetzungen sowie auch die vorhandenen Entfaltungsmöglichkeiten von großer Bedeutung sind. Dieser Mehrperspektivische Ansatz führte im Verlauf der Fachtagung dann zu fünf parallel stattfindenden Workshops, dies sich mit diesen Talentdimensionen ausführlich auseinander setzten. Dabei wurden die Workshops von der Tagungsorganisation bewusst sportartübergreifend zusammengestellt, um so „voneinander zu lernen“. Dr. Ilka Seidel unterstütze dabei als Expertin den Workshop „Leistung“ beim Erfahrungsaustausch der beteiligten Landes- und Lehrer-Trainer sowie bei der Erarbeitung von Handlungsempfehlungen. Dr. Michael Guthmann konnte als leitender Psychologe des Deutschen Leichtathletik-Verbandes im Workshop „Persönlichkeit“ interessante psychologische Hintergrundinformationen zur Verfügung stellen. Im Workshop „Körper“ verdeutlichte Dr. Petra Nissinen (Olympiastützpunkt Hessen) die Notwendigkeit von geeigneten anthropometrischen (körperlichen) Voraussetzungen für später mögliche Höchstleistungen. Rainer Weishaar (Hessischer Turn-Verband) erarbeitete in dem von ihm geleiteten Workshop „Trainierbarkeit“ Notwendigkeiten beim Bewegungslernen und Technikerwerb auf Grundlage einer möglichst vielseitigen und breiten motorischen Basis. Im Workshop „Entfaltungsmöglichkeiten“ zeigte Bernd Brückmann (Laufbahnberater Olympiastützpunkt Hessen) Wege und Rahmenbedingungen im Spannungsfeld Nachwuchsleistungssport und schulisch-berufliche Ausbildung.
Eignung und Neigung, Begabung, Talent
Die zusammengefassten Ergebnisse der Workshops wurden im Plenum für alle Teilnehmer kurz dargestellt und in der anschließenden Podiumsdiskussion von den beteiligten Workshop-Experten gemeinsam diskutiert und bewertet. Dominic Ullrich, als durch die Diskussion führender Moderator, verdeutlichte zusammenfassend die Abfolge bei der Talentidentifikation zunächst mit „Eignung und Neigung“ dann „Begabung“ sowie folgend mit „Talent“. Dies bedeutet, dass vor der Pubertät zunächst von geeigneten Kindern mit sportlichen Neigungen, spätere von begabten Kindern und erst nach der Pubertät von „Talenten“ gesprochen werden sollte.
Die Fachtagung stellt, durch ihren bundesweit einmaligen sportartübergreifenden Ansatz, sicherlich einen ersten Schritt in Richtung der Sensibilisierung der beteiligten Sportverbände beim Thema „Talentsuche“ dar. Um weiterhin die Nachhaltigkeit der Tagung abzusichern, ist eine Folgetagung schon angedacht. Dann als sportartspezifischer Ansatz mit der Möglichkeit der alters- und entwicklungsgemäßen sportartspezifischen Weiterentwicklung bestehender Talentsichtungskonzepte.
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