Berlin war für das Philippinum eine Reise wert – Silber für die Mädchen

Bundesfinale „Jugend trainiert für Olympia“ in Berlin

Es ist Sonntag, der 22. September, 8.00 Uhr morgens und wir stehen endlich am Bahnhof, abreisebereit zum Bundesfinale „Jugend trainiert für Olympia“. Vier Monate ist es her, dass der Mädchen-Vierer unserer Schule das Landesfinale in Wiesbaden erfolgreich bestritten hatten. „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“, der bekannte Spruch war auf der Heimreise immer wieder zu hören.

Vier Monate Vorbereitung liegen nun hinter uns, mit hunderten Kilometern in unseren Einern, Doppelzweiern und dann wieder im Doppelvierer, teilweise fünf mal die Woche, denn neben den Herbstregatten stand ja auch noch der Bundeswettbewerb in München vor drei Wochen auf dem Plan, den drei der Mädels hervorragend bestritten hatten. Der Vierer ist hochmotiviert, das merkt man auf der Reise. Schlagfrau Charlotte Müller, Kirina Lommel, Marie Gelbert, Isabella Bückner und Steuerfrau Maurine Gath sprechen schon über die Gegner in den Vorläufen, über die Chancen, in das Finale zu rudern. In Berlin wird es hektisch. Ankunft Hauptbahnhof um 14.25 Uhr, schnell zur Akkreditierung – schon der erste Schreck – ein Mädchen hat ihren Ausweis zuhause vergessen, aber zum Glück akzeptiert man ein schnelles Foto aus der Heimat auf dem Smartphone.

15.20 Uhr: Schnell ins Hostel am Ostkreuz. Einchecken, umziehen und sofort zum Potsdamer Platz. Wie in jedem Jahr kommen wir „just in time“ zum Empfang der Hessischen Landesregierung, wo alle hessischen Mannschaften nochmal vorgestellt werden.
Nach dem Büffet noch etwas die Beine vertreten, vorbei am Holocaust-Mahnmal, Fotos am Brandenburger Tor und mit einigen schnellen Geschichtsinfos zu Mauer, Reichstag und Regierungsviertel wieder zur S-Bahn.

Für die Schönheiten Berlins haben wir kaum mehr einen Blick auf der Rückfahrt ins Hostel. Um neun Uhr liegen die meisten schon im Bett. – Montag, 6.30 Uhr frühstücken, denn wir müssen um halb Neun schon am Olympiastadion zur Jubiläumsveranstaltung sein. Mit 4.670 Schülerinnen und Schülern und Betreuern laufen wir in Ländergruppen ins Stadion ein – ein bisschen Olympiafeeling kommt rüber. Vor 50 Jahren, als Reaktion auf den Medaillienschock von Mexiko, begann „Jugend trainiert für Olympia“, 98 mal ein Bundesfinale in Berlin. 800.000 Schüler nehmen jährlich an dieser weltweit größten Schulsportveranstaltung teil erfuhren wir von Schirmherr Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. 12.00 Uhr: Schnell ans andere Ende Berlins, zur Regattastrecke in Grünau zum Training – ein Blick auf’s Wasser – ziemlich rauh – könnte besser sein.

„Aufriggern“, so nennt man das Anschrauben der Ausleger, noch mal alle Einstellungen überprüfen und dann raus auf die Strecke. Acht bis zehn Kilometer, zweimal 250 Meter volles Tempo zur Eingewöhnung. Ab ins Hostel, jetzt steht noch ein bisschen Kultur auf dem Programm. Mit der S7 zum „Alex“, als Überraschung zur Abendandacht in den Berliner Dom, er ist auch für „Nicht-Kirchen-Freaks“ beeindruckend. Gegenüber der Platz, wo einst der Palast der Republik stand – wer von unseren jungen Sportlern kann eigentlich noch nachempfinden, was der bedeutete? Jetzt gemütlich zum Roten Rathaus und nebenan Pizzaessen mit einer Klasse 10 des Philippinums, die gerade auf Klassenfahrt ist. Die Beine werden schwer, um neun liegt alles wieder in den Zimmern.

24.9.2019, Dienstagmorgen. 7.00 Uhr aufstehen. 7.20 Uhr Frühstück, 7.50 Uhr ab nach Grünau. Keine Sonne, dafür aber spiegelglattes Spreewasser auf, ein Traum zum Rudern. Sechs Kilometer Kreislauf auf Touren bringen, ein paar Starts, dann noch zwei Stunden bis zum Vorlauf. 1.000 Meter ist die Strecke bei „JtfO“ lang. Die Mädchen sind um 11.30 Uhr dran. Renommierte Sportschulen liegen mit am Start. Ich trete vor Nervosität von einem Bein aufs andere. Und dann kommen die Vierer ins Sichtfeld. Das rote Boot und die blau-gelben Trikots in Führung. Wie erhofft eine klare Qualifikation für das Halbfinale am Mittwoch mit Sieg und zweitschnellster Zeit aller dreizehn Mannschaften – kein Hoffnungslauf.

Ein gutes Gefühl. Heute Nachmittag nur noch etwas Essen gehen, dann ist Finaltag.
Mittwoch, 25.09.2019, 5.15 Uhr: Aufstehen, Packen, mit der S-Bahn zur Strecke, unterwegs ein leichtes Frühstück aus der Hand – alles Rituale, die unsere jungen Sportlerinnen schon drin haben. 6.30 Uhr: Grünau präsentiert sich wie selten: keine Wellen, eher etwas Schiebewind, gut für die leichtgewichtigen Mädchen. Wir sind die Ersten. Einrudern wie gehabt in die Morgendämmerung. Im Halbfinale sind die Mädchen etwas nervöser. Neben ihnen die Sportschule Halle, die klaren Favoritinnen. Das Rennen läuft nicht so rund wie sonst, zwar Platz zwei, aber im anderen Lauf ist Potsdam schneller.

12.35 Uhr. Das Finale 2019 ist gestartet – alle Mädchen haben sich gut gefühlt. Die Gegnerinnen sind aber körperlich überlegen, auch durchweg älter und größer. Technisch rudern Charlotte, Kirina, Marie, Isabella sehr gut, bringen ihre Dynamik und Ausdauer voll ins Wasser, Maurine feuert sie an.

Der Weilburger Vierer ist vom Start weg mit dabei. Halle hat bei 500 Metern eine gute Bootslänge Führung, aber der Philippinum-Vierer wieder den zweiten Platz vor Potsdam. Schreien oder nicht? Lieber die Mannschaft „Ihr Ding machen lassen“ – Hoffentlich passiert auf den letzten Metern nichts. Dann der Blick auf die große Anzeigetafel – die Erlösung : 2. HE – Gymnasium Philippinum Weilburg 3:46.21 min – drei Sekunden vor Potsdam, dahinter Essen, Würzburg und Karlsruhe. Ein sicherer Silberplatz für das Philippinum – schon eine kleine Sensation für das Team, das erst im Frühjahr mit richtigem Training angefangen hat.

Stolz stehen Müller, Lommel, Gelbert, Bückner, Gath, erhalten ihre Medaillen. Werden von den großen Gegnerinnen gedrückt und gelobt: „wie süß“ – Auch für mich ein tolles Gefühl. Eine kleine Stadt ist seit Jahren eine Hochburg im hessischen Schülerrudern, es finden sich immer wieder sport- und leistungsbegeisterte junge Menschen, die trotz hoher schulischer Belastung die Anstrengungen auf sich nehmen – aber auch viel davon profitieren.

Jetzt alles wieder abbauen, die Boote verladen, packen. Um 19.00 Uhr die große Abschlussveranstaltung in der Max-Schmeling-Halle mit tollen Darbiertungen. Maurine darf auf die große Bühne um den Pokal für das Team abzuholen. Die Nacht wird kürzer als befürchtet – alle sind platt. Am Donnerstagmorgen um 8 Uhr geht’s zum Bahnhof, sieben Stunden Heimfahrt. Schön, dass Eltern, Vorstand und Bügermeister uns mit Fahne, Skulls und einem guten Schluck auf dem Weilburger Bahnsteig empfangen. Auch am Freitagmorgen gratulieren uns Schulleitung und viele Schüler im Foyer des Philippinums . – Es tut gut!
Berlin war die Reise wert.

Hans Werner Bruchmeier

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